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05.11.2024

Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts führen bei Vorliegen eigener Einkünfte nicht zu außergewöhnlichen Belastungen

Der 1. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass Kosten für einen Prozess zur Erlangung nachehelichen Unterhalts jedenfalls dann nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind, wenn die unterhaltsberechtigte Person eigene Einkünfte oberhalb des Existenzminimums erzielt.

Die Klägerin und ihr damaliger Ehemann trennten sich im Jahr 2012, woraufhin der Ehemann einen Scheidungsantrag beim Amtsgericht stellte. Nach der Trennung zahlte der Ehemann Unterhalt für die bei der Klägerin lebenden gemeinsamen Kinder sowie Trennungsunterhalt für die Klägerin. Den Zugewinnausgleich regelten die Eheleute dahingehend einvernehmlich, dass die Klägerin ein vermietetes Grundstück sowie eine Ausgleichszahlung erhielt. Daraufhin erwarb sie ein weiteres Mehrfamilienhaus, aus dem sie Vermietungseinkünfte erzielte. Ferner war sie ab 2013 in Teilzeit in ihrem erlernten Beruf tätig, wobei die Beschäftigungsverhältnisse zunächst befristet waren.

Nachdem eine einvernehmliche Regelung über den nachehelichen Unterhalt nicht getroffen werden konnte, klagte die Klägerin diesen Ende 2013 im laufenden Scheidungsverfahren in Höhe von ca. 1.500 Euro monatlich ein. Ihr Ehemann war der Ansicht, keinen nachehelichen Unterhalt zahlen zu müssen. Das Amtsgericht schied die Ehe, nahm einen Versorgungsausgleich vor und sprach der Klägerin nachehelichen Aufstockungsunterhalt in Höhe von knapp 600 Euro zeitlich befristet zu. Im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach sich der nacheheliche Unterhalt auf 900 Euro mit einer längeren Befristung belief. Die Kosten wurden gegeneinander aufgehoben.

Das Finanzamt lehnte die zunächst von der Klägerin als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten gesamten Kosten des Scheidungsprozesses unter Hinweis auf § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ab. Im Rahmen des Klageverfahrens begrenzte die Klägerin ihren Antrag auf die auf den Unterhalt entfallenden Prozesskosten.

Im ersten Rechtsgang gab der 1. Senat des Finanzgerichts Münster der Klage mit Urteil vom 9. Dezember 2020 statt, weil er die Kosten als Werbungskosten der Klägerin, die die Unterhaltsleistungen im Rahmen des sog. Realsplittings nach § 22 Nr. 1a EStG versteuerte, ansah. Dem folgte der Bundesfinanzhof nicht, hob das Urteil mit Urteil vom 18. Oktober 2023 (Az. X R 7/20) auf und verwies die Sache zur Prüfung, ob außergewöhnliche Belastungen vorliegen, an das Finanzgericht Münster zurück.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Verfahren zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage geführt worden sei. Im Jahr 2013 sei ihr ohne Unterhalt und Steuern ein frei verfügbarer Betrag von monatlich ca. 1.200 Euro verblieben. Bei der Auslegung des Begriffes »Existenzgrundlage« in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sei nicht auf das Existenzminimum im sozialrechtlichen Sinne abzustellen, da die Ausnahmeregelung sonst keinen Anwendungsbereich hätte. Zudem könnten befristete Anstellungen mangels wirtschaftlicher Sicherheit nicht Teil der Existenzgrundlage sein.

Der 1. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage im zweiten Rechtsgang abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Kosten als außergewöhnliche Belastungen lägen nicht vor, weil die Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG, wonach Prozesskosten ausnahmsweise abzugsfähig sind, wenn ohne den geführten Prozess die Gefahr des Verlusts der Existenzgrundlage bestanden hätte, nicht eingreife.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei für die Beurteilung der Existenzgefährdung das sozialhilferechtliche Existenzminimum maßgeblich. Dennoch habe die Ausnahmeregelung einen Anwendungsbereich, wie sich an Beispielen aus der Rechtsprechung zu schwerwiegenden körperlichen Schäden aufgrund unerlaubter Handlungen zeige.

Bei der Prüfung sei das frei verfügbare Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen. Dieses habe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 2013 deutlich über dem Existenzminimum gelegen. Dabei sei die Arbeitskraft der Klägerin einzubeziehen, obwohl sie lediglich über befristete Arbeitsstellen verfügt habe, denn es sei ihr aufgrund ihrer hohen Qualifikation und ihrer Berufserfahrung gelungen, nahtlos eine neue Anstellung zu finden. Anderenfalls dürften aufgrund der Unsicherheiten sämtliche Gewinneinkünfte nicht zu einer Existenzgrundlage führen.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat letztlich offengelassen, ob auch die Mietobjekte, die als Kapitalanlagen der Klägerin anzusehen seien und die langfristig geeignet seien, positive Einkünfte abzuwerfen, ebenfalls zur Existenzgrundlage zählen.

FG Münster, Mitteilung vom 15.10.2024 zum Urteil 1 K 494/18 vom 18.09.2024