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Anfechtung des Testaments

Unter bestimmten Voraussetzungen besteht die Möglichkeit, eine letztwillige Verfügung des Erblassers durch Anfechtung zu beseitigen. Wichtige Voraussetzungen sind, dass ein Anfechtungsgrund vorliegt, die Berechtigung zur Anfechtung gegeben ist und die Anfechtungsfrist eingehalten wird.

Anfechtung wegen Irrtums

Eine Verfügung im Testament kann angefochten werden, wenn sich der Erblasser über die Bedeutung seiner Erklärung geirrt hat.

Beispiel: Bernd Walser verfügte in seinem Testament, dass sein gesamtes Vermögen an seine Kinder als »gesetzliche Erben« fallen soll. Er wollte, dass nur seine ehelichen, nicht aber seine nichtehelichen Kinder Erben sind. Zu den gesetzlichen Erben gehören aber auch die nichtehelichen Kinder. Nach dem Wortlaut des Testaments erben somit auch die nichtehelichen Kinder, was allerdings der Erblasser nicht wollte. Walser hat sich also über die Bedeutung seiner testamentarischen Erbeinsetzung geirrt. Seine ehelichen Kinder können die Erbeinsetzung anfechten.

Als Anfechtungsgrund kommt auch der sogenannte Motivirrtum in Betracht. Das ist der Fall, wenn der Erblasser bei der Errichtung des Testaments von falschen Vorstellungen ausgegangen ist. Nicht jede Fehlvorstellung des Erblassers berechtigt aber zur Anfechtung der letztwilligen Verfügung. In Betracht kommen vielmehr nur besonders schwerwiegende Umstände, die, wenn sie dem Erblasser bekannt gewesen wären, dazu geführt hätten, dass dieser seine Verfügung nicht mit diesem Inhalt errichtet hätte. Irrtümer, die zur Anfechtung der letztwilligen Verfügung berechtigen, sind u.a. der Irrtum über die Vermögensverhältnisse, über das Verhalten des eingesetzten Erben oder darüber, dass zwischen dem Erblasser und dem eingesetzten Erben ein bestimmtes Verwandtschaftsverhältnis besteht.

Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten

Ein Testament kann angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten (z. B. den Ehegatten oder ein Kind) übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung des Testaments nicht bekannt war oder der erst nach der Errichtung geboren oder pflichtteilsberechtigt geworden ist.

Urteil: Der Erblasser setzte in seinem Testament seinen Sohn A als Alleinerben ein. Seine Frau sollte nichts erben. Ein Jahr nach der Errichtung des Testaments wurde ein weiterer Sohn B geboren. Nach dem Tod des Erblassers erklärte B die Anfechtung des Testaments, weil er erst nach der Errichtung des Testaments geboren und deshalb bei der Erbfolgereglung irrtümlich übergangen worden sei. Das OLG Schleswig (Az. 3 Wx 108/15) gab dem Sohn recht und erklärte das gesamte Testament für unwirksam.

Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung

Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, wenn der Erblasser zu seiner Verfügung widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Nicht von Bedeutung ist, von wem die Drohung ausgeht. Maßgebend ist allein, dass dem Erblasser mit einem empfindlichen Übel gedroht wurde. Das ist beispielsweise der Fall, dass der Sohn der Mutter droht, dass er sie nicht mehr wie bisher pflegen werde, wenn sie ihn nicht durch Testament als Alleinerben einsetzt.

Anfechtungsberechtigter

Zur Anfechtung ist derjenige berechtigt, der einen erbrechtlichen Vorteil hätte, wenn die Verfügung wegfällt. Das kann beispielsweise ein durch das Testament enterbter Ehegatte oder ein enterbtes Kind sein.

Erklärung und Form der Anfechtung

Die Anfechtung des Testaments muss gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Für die Anfechtungserklärung ist keine Form vorgeschrieben. Sie kann schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des zuständigen Nachlassgerichts abgegeben werden.

Formulierungsbeispiel

Hiermit fechte ich das Testament meines Vaters _____ vom _____ an, weil dieser sich über die Bedeutung einer Zuwendung, die ich neben meinem Erbteil erhalten soll, geirrt hat. Er ging bei seinem Testament davon aus, dass ich neben meinem Erbteil auch seine Briefmarkensammlung erhalten sollte, die nicht auf meinen Erbteil anzurechnen sei. In seinem Testament erklärte er dann aber, dass eine Anrechnung erfolgen solle. Dieser Widerspruch kann auch durch eine Auslegung nicht beseitigt werden.

Anfechtungsfrist

Die Anfechtungsfrist beträgt ein Jahr. Sie beginnt, wenn der Anfechtungsberechtigte vom Tod des Erblassers, vom Testament und dem Irrtum oder der Bedrohung erfahren hat. 30 Jahre nach dem Erbfall ist eine Anfechtung aber nicht mehr möglich.

Gesetzliche Grundlagen: §§ 2078 ff. BGB