Dipl.-Ök. Iris Meyer-Weidemann, Steuerberaterin

Hildeboldstr. 6a, 30455 Hannover
Telefon: 511 809 43 19
E-Mail: info@mw-steuer.de

Aktuell


26.09.2024

Kein Abzug von Aufwendungen für den Abriss und Neubau eines formaldehydbelasteten Wohnhauses als außergewöhnliche Belastung

Aufwendungen für den mit Verweis auf eine Gesundheitsgefährdung getätigten Abriss eines formaldehydbelasteten Einfamilienhauses sowie für dessen späteren Neubau sind dann nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn der Abriss des Gebäudes und der Neubau nicht notwendig waren, um die Formaldehydemission zu beseitigen. Das hat das FG Baden-Württemberg entschieden.

Streitig ist der Abzug von außergewöhnlichen Belastungen im Streitjahr 2018 i. H. v. 191.567 Euro. Der Kläger ist Eigentümer eines freistehenden Einfamilienhauses. Er ließ sein Schlafzimmer baubiologisch von dem als Zeugen vernommenen Diplom-Ingenieur F untersuchen. Der Baubiologe stellte in seinem »Kurzbericht« vom 24.03.2017 unter anderem eine leicht auffällige Lindan-Konzentration und eine hohe Formaldehydkonzentration (0,112 ppm) fest. Er empfahl Minimierungsmaßnahmen. In einem ärztlichen Attest führte ein Facharzt für Innere Medizin aus, dass der Kläger unter bestimmten Beschwerden leide, wenn er sich – insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten – in seinen Wohnräumen aufhalte. Diese Beschwerden seien bei Geschäfts- und Urlaubsreisen auch im Winter »praktisch weggeblasen«. Der Zusammenhang mit dem häuslichen Raumklima sei durch Baugutachten zur Schadstoffbelastung mit Formaldehyd belegt. Um gesundheitlichen Schaden abzuwenden, riet er dem Kläger »wenn möglich« zur Sanierung oder zum Umzug.

Der Kläger ließ das Wohngebäude abreißen und auf dem Bestandskeller ein neues Einfamilienhaus mit Garage errichten. In seiner Einkommensteuererklärung für 2018 machte der Kläger Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen wegen eines Neubaus aufgrund einer Formaldehydbelastung geltend. Das beklagte Finanzamt lehnte den Abzug der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen ab.

Das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage ab und führte unter anderem aus:

Aufwendungen, die im Zusammenhang mit Gegenständen des existenznotwendigen Bedarfs stehen, können außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sein. Gehen von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs konkrete Gesundheitsgefährdungen aus, entstehen die Aufwendungen zur Beseitigung dieser Gefährdung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und sind deshalb grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.

Der Gesetzgeber sieht eine Formaldehydausgasung, die zu einer Formaldehydkonzentration in der Raumluft von mehr als 0,1 ppm führt, typisierend als gesundheitsgefährdend an.

Generell müssen die vom Steuerpflichtigen getroffenen Maßnahmen aber notwendig sein, um die Formaldehydemission zu beseitigen. In diesem Rahmen ist zu prüfen, ob die Gesundheitsgefahr durch Versiegelung, Abdichtung, Nachbeschichtung, Lüftungsmaßnahmen oder – so wie vorliegend begehrt – nur durch einen vollständigen Abriss und Neubau beseitigt werden kann, denn Aufwendungen nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG können nur steuermindernd berücksichtigt werden, soweit sie nach den Umständen des Einzelfalles »notwendig« sind und einen »angemessenen Betrag« nicht übersteigen.

Der Abriss des Bestandsgebäudes und der Neubau waren hier nicht notwendig. Zunächst ist es aus Sicht des Senats nicht geklärt, auf welche Bauteile des Hauses die erhöhte Schadstoffkonzentration im Schlafzimmer zurückzuführen ist. Bei der Untersuchung wurden lediglich Proben aus der Raumluft des Schlafzimmers entnommen, die keine Rückschlüsse auf den konkreten Entstehungsort der Emissionen zulassen.

Zudem waren lediglich Minimierungsmaßnahmen empfohlen worden, um die Schadstoffkonzentration und die Geruchsauffälligkeit zu reduzieren. Im Gutachten war die Rede von der Abdichtung von Fugen und Öffnungen und einer Verbesserung der (Ent-)Lüftung.

In einer Gesamtschau sei zudem zu berücksichtigen, dass der Formalaldehyd-Grenzwert von 0,1 ppm nur geringfügig überschritten wurde und damit die Emissionen mit einem geringeren Aufwand als dem vollständigen Abriss und Neubau auf ein unbedenkliches Niveau hätten gesenkt werden können. Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Überzeugung, dass die für den Abriss und Neubau geltend gemachten Aufwendungen nicht notwendig waren.

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 20.08.2024 zum Urteil 1 K 1855/21 vom 01.02.2014 (rkr)