Mandantenbrief April 2024
Steuertermine
10.04. Umsatzsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 15.03. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen. |
Alle Angaben ohne Gewähr |
Vorschau auf die Steuertermine Mai 2024:
10.05. Umsatzsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 13.05. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. |
15.05. Gewerbesteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 21.05. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen. |
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Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge April 2024
Die Beiträge sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankenarbeitstag eines Monats fällig. Für April ergibt sich demnach als Fälligkeitstermin der 26.04.2024.
Inhalt:
- Für alle Steuerpflichtigen: Auch bei einer gerichtlichen Videokonferenz dürfen die Richter nicht schlafen!
- Für alle Steuerpflichtigen: Auskunftsgebühr bei inhaltsgleichen verbindlichen Auskünften
- Für alle Steuerpflichtigen: Zugangsfiktion eines Steuerbescheides beim Zentralversand
- Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Stille Beteiligung am Unternehmen des Arbeitgebers
- Für Betriebsveräußerer: Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit
- Für Holdinggesellschaften: Jahresabschlusskosten unterliegen dem Teilabzugsverbot!
- Für Unternehmer: Vorsteueraufteilung beim Auto
- Für Eltern: Zur Verfassungsmäßigkeit der Haushaltszugehörigkeit als Abzugsvoraussetzungen bei Kinderbetreuungskosten
- Für Immobilieneigentümer: Grundstücksübertragungen zwischen Angehörigen im Umsatzsteuerrecht
1. Für alle Steuerpflichtigen: Auch bei einer gerichtlichen Videokonferenz dürfen die Richter nicht schlafen!
Der Streitfall vor dem Bundesfinanzhof betrifft die Frage, ob eine Videokonferenz vor einem Finanzgericht den Anforderungen an die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts genügt. Konkret ging es darum, ob während einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz alle zur Entscheidung berufenen Richter sichtbar waren. Der Kläger argumentierte, dass während der Videokonferenz nur der Vorsitzende Richter des Senats im Bild zu sehen war, was seiner Ansicht nach gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter verstößt.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs durch Beschluss vom 30.6.2023 unter dem Aktenzeichen V B 13/22 besagt nun tatsächlich, dass auch bei einer Videokonferenz gemäß § 91a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts gewährleistet sein muss. Es wurde festgestellt, dass die Beteiligten während der Videokonferenz nicht die gesamte Richterbank mit allen zur Entscheidung berufenen Richtern sehen konnten. Dies führte zu der Schlussfolgerung, dass das Finanzgericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, was einen Verfahrensmangel darstellt.
Die Begründung für diese Entscheidung basiert auf verschiedenen rechtlichen Aspekten. Zunächst wurde darauf hingewiesen, dass gemäß § 119 Nr. 1 FGO ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen ist, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Dies dient dazu, das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Sachlichkeit der Gerichte zu sichern.
Des Weiteren wurde erläutert, dass die Vorschriften über die Besetzung des Gerichts nicht Gegenstand eines Verzichts sein können. Dies bedeutet, dass die Verletzung dieser Vorschriften nicht durch das Einverständnis der Parteien ausgehebelt werden kann. Insbesondere wurde betont, dass das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet sein muss und dass das Risiko der Verletzung bestimmter Garantien einer formell ordnungsgemäßen Rechtsprechung nicht auf die Parteien abgewälzt werden darf.
Zusammenfassend wurde entschieden, dass die Beschwerde des Klägers begründet ist, da das Finanzgericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Daher wurde die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Es muss nämlich bei einer gerichtlichen Videokonferenz für die Beteiligten während der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung ähnlich wie bei einer körperlichen Anwesenheit im Verhandlungssaal feststellbar sein, ob die beteiligten Richter in der Lage sind, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen. Dies erfordert, dass alle zur Entscheidung berufenen Richter während der Videokonferenz für die lediglich zugeschalteten Beteiligten sichtbar sind. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn für den überwiegenden Zeitraum der mündlichen Verhandlung nur der Vorsitzende Richter des Senats im Bild zu sehen ist. Auf die Beachtung der Vorschriften über die Besetzung des Gerichts kann nicht wirksam verzichtet werden. Dies ist der Disposition der Beteiligten entzogen.
2. Für alle Steuerpflichtigen: Auskunftsgebühr bei inhaltsgleichen verbindlichen Auskünften
Dass man mit dem Finanzamt manchmal um den »Preis« feilschen muss, ist bekannt. Dass dies jedoch auch für die Gebührenfestsetzung bei einer verbindlichen Auskunft gilt, ist zumindest einigermaßen neu.
Aktuell gibt es immer mehr Streitfälle darüber, ob bei inhaltsgleichen verbindlichen Auskünften ein Gebührenbescheid zu erlassen ist oder ob das Finanzamt alle Steuerpflichtigen (die alle die identische Auskunft erhalten haben) zur Kasse bitten darf.
Der vor dem Finanzgericht Münster mit Urteil vom 8.2.2023 unter dem Aktenzeichen 6 K 1330/20 AO entschiedene Sachverhalt bezieht sich auf die Erteilung inhaltsgleicher verbindlicher Auskünfte an mehrere Antragsteller in einem Fall von steuerlicher Umstrukturierung.
Trotz individueller Unterschiede wurden die Anträge wort- und inhaltsgleich beschieden. Gemäß gesetzlicher Bestimmungen und Rechtsprechung ist in solchen Fällen nur die Ausstellung eines gemeinsamen Gebührenbescheids zulässig, um eine einheitliche Gebührenfestsetzung sicherzustellen und die Bindungswirkung der Auskunft für alle Beteiligten zu gewährleisten.
Entgegen der Meinung der Finanzverwaltung kam das erstinstanzliche erkennende Gericht hier zu dem Schluss, dass bei der Erteilung inhaltsgleicher verbindlicher Auskünfte wegen einer mehrstufigen Umstrukturierungsmaßnahme lediglich eine einheitliche Auskunftserteilung gegeben ist, für die in der logischen Folge auch nur ein gemeinsamer Gebührenbescheid zu erlassen ist.
Zum Hintergrund kann insoweit das Folgende gesagt werden:
Gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) können Finanzbehörden auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen. Dabei ist es wichtig, dass die Auskunft inhaltsgleich gegenüber allen Antragstellern erfolgt, unabhängig von individuellen Unterschieden in den Sachverhalten der Antragsteller.
Dies bedeutet, dass die Auskunft für alle Beteiligten gleichermaßen verbindlich ist und somit eine einheitliche Rechtsgrundlage schafft.
Die Rechtsverordnung gemäß § 89 Abs. 2 Satz 5 AO regelt nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft sowie zur Reichweite der Bindungswirkung. Insbesondere kann festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist und welche Finanzbehörde in diesem Fall zuständig ist.
Im vorliegenden Fall wurden die Anträge der Klägerinnen und Kläger trotz unterschiedlicher Verhältnisse wortgleich und inhaltsgleich beschieden. Der Beklagte hat sich somit gegenüber jedem Antragsteller gleichermaßen selbst gebunden, was eine einheitliche Auskunftserteilung impliziert. Es ist daher nicht gerechtfertigt, dass der Beklagte formell gegenüber jedem Antragsteller einen separaten Verwaltungsakt erlässt, da dies nicht dem Sinn und Zweck der einheitlichen Auskunftserteilung entspricht.
Die mehrfache Gebührenerhebung für inhaltsgleiche verbindliche Auskünfte ist nicht gerechtfertigt, da dies nicht im Verhältnis zu der nur einmal angefallenen Verwaltungsleistung steht. Eine einheitliche Gebührenfestsetzung dient dem Grundsatz der Kostengerechtigkeit und verhindert eine unverhältnismäßige Belastung der Antragsteller. Durch die einheitliche Gebührenfestsetzung wird zudem der Gedanke des Vorteilsausgleichs gewahrt, da die erlangte Rechtssicherheit durch eine gemeinsame Auskunftserteilung erreicht wird.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei der Erteilung inhaltsgleicher verbindlicher Auskünfte eine einheitliche Gebührenfestsetzung gemäß § 89 Abs. 3 Satz 2 AO erforderlich ist, um eine gerechte und angemessene Kostenverteilung sicherzustellen und die Bindungswirkung der Auskunft für alle Beteiligten zu gewährleisten.
Eine abschließende Entscheidung in dieser Streitfrage wird jedoch erst der Bundesfinanzhof treffen. Das hier genannte erstinstanzliche Verfahren ist unter dem Aktenzeichen IV R 6/23 mittlerweile in der Revision beim Bundesfinanzhof. Diese war seitens des erstinstanzlichen Gerichtes zwingend zuzulassen, da die Frage, wann eine einheitliche Auskunftserteilung vorliegt, bisher höchstrichterlich nicht geklärt war. Wie eingangs schon gesagt, sind jedoch mittlerweile mehrere Revisionsverfahren zu dem Thema anhängig. So beispielsweise unter den Aktenzeichen I R 30/22, II R 37/22, II R 39/22 und II R 40/22.
Betroffene sollten sich daher an die Musterverfahren anhängen und darauf pochen, dass bei inhaltsgleichen verbindlichen Auskünften auch nur ein gemeinsamer Gebührenbescheid erlassen wird bzw. die einmalige Gebühr durch die Anzahl der inhaltsgleichen Auskünfte geteilt wird. Alles andere müsste als schiere Unverschämtheit bezeichnet werden.
3. Für alle Steuerpflichtigen: Zugangsfiktion eines Steuerbescheides beim Zentralversand
Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 124 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, indem er ihm bekannt gegeben wird. Entsprechend § 122 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Nummer 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, demjenigen Beteiligten, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde, sprich hier das Finanzamt, den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Unter »Aufgabe zur Post« im Sinne des Gesetzestextes wird auch eine Übermittlung des Verwaltungsaktes durch einen privaten Postdienstleister erfasst, wie bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 14.6.2018 unter dem Aktenzeichen III R 27/17 festgestellt hat.
Höchstrichterlich geklärt ist ebenso, dass die Drei-Tages-Bekanntgabe-Fiktion nur dann eingreift, wenn feststeht, wann der mit einfachem Brief übersandte Verwaltungsakt tatsächlich zur Post aufgegeben worden ist, wobei es nicht etwa auf das Datum des Bescheides ankommt, wie der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 22.05.2002 unter dem Aktenzeichen VIII R 53/00 bereits einmal herausgearbeitet hatte.
Im Hinblick darauf, dass dieser Zeitpunkt allein dem Wissens- und Verantwortungsbereich der Finanzbehörde zugeordnet ist, bedarf es insoweit keines substantiierten Bestreitens durch den Steuerpflichtigen. Lässt sich das Datum der Aufgabe zur Post nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststellen, ist die Bekanntgabefiktion nicht anwendbar, wie die obersten Richter entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auch bereits in einer Entscheidung vom 9.12.2009 unter dem Aktenzeichen II R 52/07 klargestellt haben.
In diesem Zusammenhang ist das Finanzgericht im Rahmen seiner Sachverhaltsaufklärungspflicht regelmäßig gehalten, Ermittlungen anzustellen, wie im Einzelnen der Ablauf der Postversendung durch das Rechenzentrum gestaltet und in welcher Weise sichergestellt wird, dass Bescheide zu dem im Bescheid angegebenen Zeitpunkt auch tatsächlich zur Post aufgegeben wurden. Auch dies ist durch das oberste Finanzgericht der Republik bereits mit Beschluss vom 22.5.2006 unter dem Aktenzeichen X B 190/05 geregelt worden.
Ob darüberhinausgehend bei der maschinell-elektronischen Versendung von Steuerbescheiden im Wege eines Anscheinsbeweises vom Datum des Bescheids auf den Tag der Aufgabe zu Post geschlossen werden kann, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden.
Steht der Tag der Aufgabe zur Post fest, setzt jedoch nicht bereits jedes beliebige Bestreiten des Zugangszeitpunkts die Zugangsfiktion außer Kraft. Dies gilt vielmehr nur dann, wenn der Empfänger im Rahmen des Möglichen substantiiert Tatsachen vorträgt, die schließlich auf den späteren Zugang hindeuten und damit eindeutige Zweifel an der Zugangsvermutung begründen. Die Tatsachen müssen also den Schluss zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische ernstlich in Betracht zu ziehen ist.
Sofern der Tag der Aufgabe zur Post feststeht, muss also nur der Zugang des Schriftstücks aufgeklärt und die festgestellten unstreitigen Umstände im Wege der freien Beweiswürdigung gegeneinander abgewogen werden.
In den Fällen, in denen ein privater Postdienstleister oder ein Subunternehmer eingeschaltet wird, kann möglicherweise eine längere Postlaufzeit gegeben sein, denn im Rahmen der Lizenzierung privater Dienstleister wird die Einhaltung konkreter Postlaufzeiten nicht geprüft. Daher ist grundsätzlich zu ermitteln, ob nach den bei dem privaten Dienstleister vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrung regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann. Die Zugangsvermutung ist widerlegt, wenn ein beauftragtes Postdienstleistungsunternehmen zur Beförderung von Postsendungen einen anderen Postdienstleister einschaltet und nicht feststeht, dass es hierdurch nicht zu Verzögerungen kommt. Eine Verzögerung muss also ausgeschlossen werden können!
Zudem kann die Zugangsvermutung auch in den Fällen entfallen, in denen der beauftragte Postdienstleister am Ort des Empfängers regelmäßig nicht an allen Werktagen (also von Montag bis Samstag) die Post ausliefert. In diesem Zusammenhang ist zuletzt ein Urteil des Finanzgerichtes Berlin-Brandenburg vom 24.08.2022 unter dem Aktenzeichen 7 K 7045/20 zu beachten.
Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze kommt das hier erkennende erstinstanzliche Finanzgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 13.4.2023 unter dem Aktenzeichen 5 K 92/22 zwar zu dem Schluss, dass bei Anwendung der Drei-Tages-Fiktion entsprechend § 122 Abs. 2 Nummer 1 AO das Finanzgericht zwar das Datum der tatsächlichen Aufgabe zur Post von Amts wegen zu ermitteln hat. Jedoch kommt das Gericht im vorliegenden Streitfall trotz der Einschaltung eines privaten Postdienstleistungsunternehmens bei dem Versand von Steuerbescheiden durch ein Hamburger Finanzamt im sogenannten Zentralversand nicht zu dem Schluss, dass die Drei-Tages-Fiktion nicht greift. Vielmehr ist vorliegend das erstinstanzliche Finanzgericht der Meinung, dass die dreitägige Zugangsfiktion gilt.
Ob in ähnlich gelagerten Fällen die dreitägige Zugangsfiktion greift oder eben nicht anzuwenden ist, obliegt insoweit den Umständen des Einzelfalls. Die Entscheidung des Finanzgerichtes Hamburgs enthält auch über die vorgenannten Zitate der Rechtsprechung weitere Nennungen andere Urteile, die bei der grundsätzlichen Prüfung behilflich sein können.
4. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Stille Beteiligung am Unternehmen des Arbeitgebers
Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 20 Abs. 1 Nummer 4 Satz 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind die Einnahmen aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen, wenn der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist. Mitunternehmer ist dabei derjenige Gesellschafter, der kumulativ Mitunternehmerinitiative entfalten kann und ebenso Mitunternehmerrisiko trägt. So bereits mehrfach geklärt durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, beispielsweise mit Urteil vom 12.4.2021 unter dem Aktenzeichen VIII R 46/18 mit zahlreichen weiteren Nennungen zur Thematik.
Mitunternehmerinitiative bedeutet dabei vor allem die Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie zum Beispiel Gesellschafter oder diesen vergleichbare Personen als Geschäftsführer, Prokuristen oder andere leitende Angestellte haben. Ausreichend sind Entscheidungsmöglichkeiten zur Ausübung von Gesellschaftsrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten entsprechend § 716 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechen. Auch dies hat der BFH in der vorgenannten Entscheidung vom 12.4.2021 entsprechend ausgeführt.
Mitunternehmerrisiko trägt hingegen, wer gesellschaftsrechtlich oder diesem Status wirtschaftlich vergleichbar am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens teilnimmt. Dieses Risiko wird regelmäßig durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts ermittelt.
Die angesprochenen Merkmale können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein, und ein geringeres mitunternehmerisches Risiko kann durch eine besonders starke Ausprägung des Initiativrechts ausgeglichen werden und umgekehrt. Beide Merkmale müssen jedoch definitiv vorliegen. Ob dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen. So der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 13.7.2017 unter dem Aktenzeichen IV R 41/14. Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles kann die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die Vertragsschließenden selbst als stille Gesellschaft lediglich als Indiz berücksichtigt werden.
Ob ein am Unternehmen des Arbeitgebers Beteiligter als Mitunternehmer anzusehen ist, bestimmt sich regelmäßig nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Vorliegend hatte das Finanzgericht Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 6.10.2022 unter dem Aktenzeichen 12 K 1692/20 eine entsprechende Mitunternehmerschaft verneint. Die Gründe: Ein am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligter stiller Gesellschafter ist nicht als Mitunternehmer anzusehen, wenn er weder am Unternehmenswert noch am Zuwachs der stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Firmenwerts beteiligt ist und ihm auch keine über das Recht, die Jahresabschlüsse einschließlich der Prüfungsberichte des Abschlussprüfers einzusehen, hinausgehenden Stimm- oder Widerspruchsrechte zustehen.
Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einräumung der stillen Beteiligung hat, spricht für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis. Bei der Möglichkeit, die stille Einlage durch stehengelassene Gewinnanteile zu erbringen, handelt es sich um eine übliche Möglichkeit zur Einlagenerbringung. Eine Veranlassung der stillen Beteiligung durch das Arbeitsverhältnis lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass die Gewinnbeteiligung des Arbeitnehmers aus der stillen Beteiligung nicht auf einen bestimmten absoluten und angemessenen Prozentsatz der Eingangsleistung begrenzt ist.
Gegen die vorliegende Entscheidung hat das Finanzgericht Baden-Württemberg die Revision nicht zugelassen, da es keine Zulassungsgründe gesehen hat. Insbesondere handelt sich bei der Entscheidung um eine Auslegung des Gesellschaftsvertrages, die dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz obliegt und insoweit grundsätzlich nicht mittels Revision beim Bundesfinanzhof angegriffen werden kann.
Gegen die Entscheidung hat der Steuerpflichtige dennoch die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt, welche dort unter dem Aktenzeichen VIII B 134/22 geführt wurde. Offensichtlich (und dies verwundert schon sehr) haben die obersten Finanzrichter der Republik die Nichtzulassungsbeschwerde angenommen, denn unter dem Aktenzeichen VIII R 13/23 wird nun die Rechtsfrage geführt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Gewinnanteile aus einer Mitarbeiterbeteiligung in Form einer typisch stillen Beteiligung als Einkünfte aus Kapitalvermögen und nicht als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu qualifizieren sind. Die Entscheidung der obersten Finanzrichter der Republik bleibt insoweit mit Spannung zu erwarten und wir werden mit Sicherheit wieder darüber berichten.
5. Für Betriebsveräußerer: Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit
Wer einen Betrieb veräußert und das 55. Lebensjahr vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dauernd berufsunfähig ist, muss den Veräußerungsgewinn nur besteuern, soweit dieser 45.000 Euro übersteigt. Der Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal im Leben zu gewähren und ermäßigt sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 Euro übersteigt.
In einer aktuell erst veröffentlichten Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 14.12.2022 unter dem Aktenzeichen X R 10/21 ging es jedoch nicht um die Frage des Freibetrags, sondern vielmehr um die Frage, wie denn die dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne der vorgenannten Regelung des § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nachgewiesen werden muss.
Das oberste Gericht stellte fest, dass für die Feststellung der dauernden Berufsunfähigkeit die allgemeinen Beweisregeln gelten. Die Richter betonten dabei, dass im Rahmen der freien Beweiswürdigung auch nichtamtliche Unterlagen wie Gutachten und andere Äußerungen von Fachärzten und Medizinern herangezogen werden dürfen.
Des Weiteren wurde klargestellt, dass eine dauernde Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne vorliegt, wenn die Voraussetzungen des § 240 Abs. 2 SGB VI erfüllt sind und dieser Zustand nicht nur in einem geringeren Ausmaß zeitlich befristet ist. Dies erfordert jeweils eine Einzelfallprüfung.
In Bezug auf das konkrete Verfahren wies der Bundesfinanzhof darauf hin, dass das erstinstanzliche Finanzgericht im vorliegenden Fall nicht ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen hat, um die dauernde Berufsunfähigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der Teilbetriebsveräußerung (vorliegend im Jahr 2012) zu bestätigen. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass das vorgelegte Gutachten keine abschließende Aussage zur dauernden Berufsunfähigkeit enthielt und dass weitere Feststellungen notwendig gewesen wären, um die Berufsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Veräußerung zu bestätigen.
Aufgrund dieser Mängel in der Beweisführung des erstinstanzlichen Finanzgerichts wurde das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Die Richter des Bundesfinanzhofes betonten dabei ganz ausdrücklich die Bedeutung ausreichender tatsächlicher Feststellungen, um die Anwendung des Rechts auf den konkreten Sachverhalt überprüfen zu können.
Insgesamt unterstreicht die Entscheidung des Bundesfinanzhofs die Bedeutung einer fundierten Beweisführung und von tatsächlichen Feststellungen bei der Beurteilung der dauernden Berufsunfähigkeit im steuerlichen Kontext.
Zum Abschluss daher noch die konkreten Leitsätze des Bundesfinanzhofs in seiner oben bereits zitierten Entscheidung: Für die Feststellung der dauernden Berufsunfähigkeit i.S. des § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG gelten die allgemeinen Beweisregeln. Daher darf das Gericht im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung auch nichtamtliche Unterlagen, z.B. Gutachten und andere Äußerungen von Fachärzten und sonstigen Medizinern, heranziehen. Eine dauernde Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist gegeben, wenn zum einen die Voraussetzungen des § 240 Abs. 2 SGB VI erfüllt sind und dieser Zustand zum anderen nicht nur in einem geringeren Ausmaß zeitlich befristet ist. Dieses bedarf grundsätzlich immer einer Einzelfallprüfung.
6. Für Holdinggesellschaften: Jahresabschlusskosten unterliegen dem Teilabzugsverbot!
Entsprechend der gesetzlichen Vorschrift in § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dürfen insbesondere Betriebsausgaben, die mit den dem § 3 Nummer 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60 % abgezogen werden. Die gilt unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen.
Der Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs ist dabei in der Vorschrift nicht definiert. Bei der insofern notwendigen Auslegung des Begriffs des wirtschaftlichen Zusammenhangs ist der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers entscheidend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Norm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Im Rahmen des möglichen Wortsinns hat die Auslegung den Bedeutungszusammenhang des Gesetzgebers, die systematische Stellung der Norm sowie dem Gesetzeszweck zu beachten.
Aus der Entstehungsgeschichte des Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG lassen sich zunächst einmal keine eindeutigen Aussagen zur Auslegung des Begriffs des wirtschaftlichen Zusammenhangs entnehmen. In der Begründung des Gesetzesentwurfs zur Senkung der Steuersätze wird tatsächlich nur im Wesentlichen der Wortlaut des Gesetzestextes wiedergegeben. Die Gesetzesbegründung taugt hier also nicht zur weitergehenden Hilfe.
Aus dem Wortlaut sowie bei einem Vergleich mit § 13 Abs. 1 EStG, in dem von einem »unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang« die Rede ist, ergibt sich zumindest, dass die Abzugsbeschränkung keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang voraussetzt. Im Gegensatz zu § 3c Abs. 1 EStG reicht hier auch ein nur mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang für das Eingreifen des Abzugsverbots aus, wobei allerdings ein rechtlicher Zusammenhang nicht erforderlich ist.
Aus dem Gesetzeszweck, eine inkongruente Begünstigung durch die Zulassung des vollen Betriebsausgabenabzugs im Zusammenhang mit der Erzielung zu 40 % steuerfreien Einnahmen auszuschließen, ergibt sich, dass alle Ausgaben, die mit diesen Einnahmen in einem Zusammenhang stehen, ebenfalls zu 40 % beim Abzug beschränkt sein müssen. So bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 28.2.2013 unter dem Aktenzeichen IV R 4/11.
Für diesen Zusammenhang reicht jede objektiv kausale oder finale Beziehung zwischen den Ausgaben und den anteilig steuerfreien Einnahmen aus. Entscheidend ist, aus welchem Grund der Steuerpflichtige die Aufwendungen tätigt. Dieser Grund ist nach der wertenden Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments zu bestimmen. Maßgebend sind insoweit die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls. Dies gilt nicht nur für die Abgrenzung der erwerbsbedingten Aufwendungen zu solchen der Lebensführung, sondern gleichermaßen, wenn es darum geht, ob Aufwendungen vorrangig mit voll steuerpflichtigen Einnahmen oder mit teilweise steuerfreien Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. So auch bereits das vorgenannte Urteil des Bundesfinanzhofs.
Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzungen, die mit dem Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG vornehmlich verfolgt werden, besteht im Streitfall ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Kosten für die Erstellung des Konzernjahresabschlusses mit den Einnahmen aus Gewinnausschüttungen.
Unter dem Aktenzeichen IV R 25/22 muss jedoch noch der Bundesfinanzhof entscheiden, ob bei einer Holdinggesellschaft angefallene Konzernabschlusskosten im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Beteiligungserträgen stehen, sodass diese nur anteilig als Betriebsausgaben abgezogen werden können. Die Entscheidung wird daher mit Spannung zu erwarten sein.
7. Für Unternehmer: Vorsteueraufteilung beim Auto
Mit Urteil vom 15.9.2022 hat das Finanzgericht Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen 12 K 1295/20 zur Vorsteueraufteilung für ein neu erworbenes und teils für steuerpflichtige und teils für steuerfreie Umsätze verwendetes Fahrzeugs Stellung genommen. Danach soll die Vorsteueraufteilung nicht nach dem Umsatzschlüssel, sondern nach dem Verhältnis der anteiligen Fahrleistung für das gesamte Kalenderjahr der Anschaffung durchgeführt werden.
Die Entscheidung der Richter aus Baden-Württemberg erscheint dabei so klar, dass der Tenor des Urteils im Folgenden kurz wie folgt zusammengefasst werden kann:
Wird ein Pkw nach der Anschaffung teils zur Erzielung steuerpflichtiger und teils zur Erzielung steuerfreier Umsätze verwendet, so ist die Vorsteueraufteilung für den Pkw auf Grundlage der Fahrleistung des Fahrzeugs vorzunehmen. Eine Aufteilung im Verhältnis der auf die steuerpflichtigen bzw. steuerfreien Umsätze entfallenden Fahrleistungen führt zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung als der Umsatzschlüssel.
Hat der Unternehmer daher den neuen Pkw kurz vor Jahresende (im Urteilsfall war es der November) erworben und im Jahr der Anschaffung des Fahrzeugs bereits zuvor einen anderen »funktionsgleichen« Pkw für die gleichen Umsätze genutzt, ist für die Vorsteueraufteilung auf die tatsächliche Verwendung sowohl des alten als auch des neuen Wagens im gesamten Kalenderjahr, und somit auf die Gesamtfahrleistung im gesamten Kalenderjahr, abzustellen.
Wird der neu angeschaffte Pkw ab der Anschaffung bis zum Jahresende in einem anderen Umfang als bei der Vorsteueraufteilung beim Kauf auf Basis der Gesamtfahrleistung für das Kalenderjahr ermittelt für steuerpflichtige bzw. steuerfreie Umsätze genutzt, ist insoweit eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UstG) vorzunehmen. Es kann jedenfalls in Fällen, bei denen ein bereits vorhandenes Wirtschaftsgut durch ein funktionsgleiches ausgetauscht wird, zu einem Nebeneinander der Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG (anteiliger Vorsteuerabzug) und § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG (Berichtigung des Vorsteuerabzugs) kommen.
Die Entscheidung der erstinstanzlichen Richter aus dem Ländle ist rechtskräftig, sodass sich Betroffene durchaus an den Grundsätzen des Urteils orientieren und diese im Einzelfall zurate ziehen können.
8. Für Eltern: Zur Verfassungsmäßigkeit der Haushaltszugehörigkeit als Abzugsvoraussetzungen bei Kinderbetreuungskosten
Der vorliegende Fall, der in einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11.5.2023 unter dem Aktenzeichen III R 9/22 gründete, dreht sich um einen Steuerberater, der in eigener Sache geklagt hat. Der Kläger ist Vater einer Tochter, die im Jahr 2013 geboren wurde. Seit 2018 lebte er dauerhaft getrennt von der Mutter des Kindes, und die Tochter hatte im Streitjahr 2020 ihren ausschließlichen Wohnsitz bei der Mutter, ohne zum Haushalt des Klägers zu gehören. Es handelte sich um ein sogenanntes Residenzmodell, bei dem die Mutter für die Betreuung der Tochter verantwortlich war. Der Kläger zahlte den Barunterhalt, jedoch keinen Ehegattenunterhalt.
Im Streitjahr besuchte die Tochter zunächst einen Kindergarten und nach ihrer Einschulung den Hort der Grundschule. Die Mutter zahlte insgesamt 250 Euro für den Kindergarten und 348 Euro für den Schulhort. Der Kläger erstattete der Mutter jeweils die Hälfte der monatlichen Beiträge im Rahmen des Mehrbedarfs zur anteiligen Zahlung der Betreuungskosten.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger die Hälfte der Betreuungskosten für Kindergarten und Schulhort als Sonderausgaben geltend, was einem Betrag von 299 Euro entsprach. Das Finanzamt versagte jedoch den Sonderausgabenabzug mit der Begründung, dass die Tochter während des gesamten Veranlagungszeitraums nicht zum Haushalt des Klägers gehörte und dementsprechend keine Kinderbetreuungskosten abgezogen werden könnten.
Der Kläger klagte gegen diese Entscheidung vor dem Finanzgericht, welches die Klage abwies. Das Finanzgericht stimmte der Sprungklage des Klägers zu, und die Revision wurde zugelassen. Der Kläger argumentierte, dass die Haushaltszugehörigkeit des Kindes kein geeignetes Typisierungsmerkmal sei und die Differenzierung nach diesem Kriterium gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße. Er bezog sich auch auf das subjektive Nettoprinzip und das Recht auf steuerfreies Existenzminimum gemäß Art. 6 des Grundgesetzes (GG).
Die Revision des Klägers wurde jedoch als unbegründet zurückgewiesen. Das Gericht entschied, dass die Vorentscheidung im Einklang mit dem Einkommensteuergesetz steht und kein Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts gegeben ist. Es wurde festgestellt, dass die Regelung des § 10 EStG verfassungsgemäß ist und somit keine Verpflichtung besteht, diese Norm zur weiteren Überprüfung dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Insgesamt wurde entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf den Sonderausgabenabzug für die Kinderbetreuungskosten hatte, da die Tochter nicht zum Haushalt des Klägers gehörte. Die Haushaltszugehörigkeit wurde als relevantes Kriterium angesehen, um den Abzug zu gewähren.
Insgesamt beruht das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit nach Meinung des Bundesfinanzhofs auf einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung. Die gesamte Norm des § 10 Abs. 1 Nummer 5 Satz 1 EStG verstößt jedenfalls nach Auffassung der obersten Finanzrichter der Republik dann nicht gegen die Steuerfreiheit des Existenzminimums und den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, wenn die Betreuungsaufwendungen desjenigen Elternteils, der das Kind nicht in seinem Haushalt aufgenommen hat, durch den ihm gewährten Freibetrag für die Betreuung- und Erziehung- oder Ausbildungsbedarf abgedeckt werden.
Wohl gemerkt ist dies vorliegend die Auffassung der obersten Finanzrichter des Bundesfinanzhofs in eingangs erwähnter Entscheidung. Der hier klagenden Steuerberater hat jedoch mittlerweile die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erhoben. Insoweit müssen sich nun die dortigen Richter unter dem Aktenzeichen 2 BvR 1041/23 mit der Frage beschäftigen, ob die Haushaltszugehörigkeit als Abzugsvoraussetzungen der Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben verfassungsgemäß ist.
9. Für Immobilieneigentümer: Grundstücksübertragungen zwischen Angehörigen im Umsatzsteuerrecht
Mit seinerzeitigem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.11.2007 hat dieser unter dem Aktenzeichen V R 5/06 entschieden, dass eine Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Absatz 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auch dann vorliegt, wenn der bisherige Alleineigentümer an einem Grundstück, das er bisher teilweise steuerpflichtig vermietete und teilweise für eigene unternehmerische Zwecke nutzte, einen Miteigentumsanteil auf seinen Sohn überträgt. Der Gegenstand der Geschäftsveräußerung beschränkt sich dabei auf den vermieteten Grundstücksteil. Eine Vorsteuerberichtigung kommt hinsichtlich des für eigene unternehmerische Zwecke genutzten Grundstücks teils nicht bereits aufgrund der Einräumung des Miteigentumsanteils in Betracht. Der bisherige Alleineigentümer bleibt auch als Miteigentümer in Bruchteilsgemeinschaft insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als seine eigene unternehmerische Nutzung seinen quotalen Miteigentumsanteil am Grundstück übersteigt. Anders als bei Personengesellschaften kommt es bei einer Bruchteilsgemeinschaft auf das Vorliegen gesonderter Nutzungsvereinbarungen nicht an.
In Bezug auf die vorgenannte Entscheidung des Bundesfinanzhofs und die Ausführungen zur unentgeltlichen Übertragung eines Betriebsgrundstücks durch einen Unternehmer in Abschnitt 3.3 Abs. 8 des Umsatzsteuer Anwendungserlasses hat aktuell das Landesamt für Steuern in Niedersachsen mit Erlass vom 9.2.2023 zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Grundstücksübertragungen zwischen Angehörigen Stellung genommen.
Dabei hat das Landesamt für Steuern die folgenden Beispiel-Sachverhalt vorgestellt und entsprechend begutachtet:
Ein Unternehmer überträgt unentgeltlich ein Betriebsgrundstück auf seine Tochter im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge. Der Unternehmer nutzt das Grundstück weiterhin für sein Unternehmen aufgrund eines Pachtvertrages mit seiner Tochter. Die Übertragung des Grundstücks auf die Tochter führt zu einer unentgeltlichen Wertabgabe des Unternehmers, die steuerfrei ist. Der Unternehmer kann nicht auf die Steuerfreiheit verzichten und muss gegebenenfalls den Vorsteuerabzug nach § 15a UStG berichtigen. Es liegt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, da die Tochter ein neues (Vermietungs-)Unternehmen gründet. Die Tochter erbringt mit der Verpachtung des Grundstücks eine steuerfreie sonstige Leistung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG.
Der Unternehmer überträgt unentgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem steuerpflichtig vermieteten Betriebsgrundstück auf seine Ehefrau. Die Ehegatten treten gemeinschaftlich in den bestehenden Mietvertrag ein. Es liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen beim Ehemann vor, die keine Vorsteuerkorrektur auslöst. Die Ehefrau hat keine umsatzsteuerlichen Folgen aus der Übertragung des Miteigentumsanteils.
Der Unternehmer überträgt entgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem Betriebsgrundstück auf seine Ehefrau und nutzt das Grundstück weiterhin aufgrund eines Pachtvertrages mit seiner Ehefrau für sein Unternehmen. Es entsteht eine Bruchteilsgemeinschaft, die jedoch nicht unternehmerisch tätig ist. Sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau sind zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit sie das gemeinschaftliche Grundstück jeweils unternehmerisch nutzen und die Nutzung ihren quotalen Miteigentumsanteil nicht übersteigt. Der Ehemann erbringt mit der Übertragung des Miteigentumsanteils eine steuerbare, aber grundsätzlich steuerfreie Lieferung. Die Ehefrau schuldet die Steuer aus dem Erwerb des Miteigentumsanteils und erbringt mit der Verpachtung eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung.
Der Unternehmer überträgt unentgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem Betriebsgrundstück auf seine Ehefrau. Die Ehegatten treten gemeinschaftlich in den bestehenden Mietvertrag ein. Durch die Übertragung entsteht eine Bruchteilsgemeinschaft, die das Vermietungsunternehmen des Ehemanns fortsetzt. Es liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen beim Ehemann vor, die keine Vorsteuerkorrektur auslöst. Die Ehefrau hat keine umsatzsteuerlichen Folgen aus der Übertragung des Miteigentumsanteils.
Der Unternehmer gründet mit seiner Ehefrau eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die zivilrechtlicher Eigentümer eines Betriebsgrundstücks wird. Die GbR tritt in den bestehenden Mietvertrag ein, und der Ehemann nutzt den von ihm bisher genutzten Grundstücksteil weiterhin unentgeltlich für sein Unternehmen. Die Ehefrau zahlt einen "Kaufpreis" an den Ehemann. Die GbR führt das Vermietungsunternehmen des Ehemanns fort und ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Ehemann hat eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vollzogen, die keine Vorsteuerkorrektur auslöst. Die Ehefrau hat keine umsatzsteuerlichen Folgen.
In allen Sachverhalten werden die umsatzsteuerlichen Konsequenzen von Grundstücksübertragungen zwischen Angehörigen behandelt. Die steuerlichen Auswirkungen hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie der Art der Übertragung, der Nutzung des Grundstücks und der Bildung von Bruchteilsgemeinschaften. Die rechtliche Beurteilung erfolgt unter Berücksichtigung von Gesetzen, Verordnungen und einschlägigen Urteilen. Die Ergebnisse umfassen die steuerlichen Verpflichtungen der beteiligten Parteien, wie die Pflicht zur Vorsteuerkorrektur, die Steuerschuldnerschaft und das Recht zum Vorsteuerabzug. Für die Praxis kann der Erlass daher als Hilfestellung herangezogen werden, um den eigenen Steuerfall einzuordnen.
Hinweis: Die in diesem Mandantenbrief enthaltenen Beiträge sind nach bestem Wissen und Kenntnisstand verfasst worden. Sie dienen nur der allgemeinen Information und ersetzen keine qualifizierte Beratung in konkreten Fällen. Eine Haftung für den Inhalt dieses Informationsschreibens kann daher nicht übernommen werden.
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