Steuertermine
10.06. Umsatzsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 13.06. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen. |
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10.07. Umsatzsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 15.06. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen. |
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Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge Juni 2024
Die Beiträge sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankenarbeitstag eines Monats fällig. Für Juni ergibt sich demnach als Fälligkeitstermin der 26.06.2024.
Inhalt:
- Für alle Steuerpflichtigen: Entgeltlicher Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht als privates Veräußerungsgeschäft
- Für alle Steuerpflichtigen: Objektverbrauch bei der Steuerbegünstigung für selbstbewohnte Baudenkmäler
- Für alle Steuerpflichtigen: Zur Auswirkung des Verlustrücktrages auf den Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr.
- Für alle Steuerpflichtigen: Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit
- Für Selbstständige: Steuerpflicht von Corona-Überbrückungshilfen
- Für Pflegeeltern: Ab wann besteht der Kindergeldanspruch?
- Für alle Steuerpflichtigen: Zur Verrechnung und Hinzurechnung einer Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für mehrere Jahre
- Für alle Steuerpflichtigen: Reichweite des Datenzugriffsrechts der Finanzverwaltung und E-Mails als Handelsbriefe
1. Für alle Steuerpflichtigen: Entgeltlicher Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht als privates Veräußerungsgeschäft
Vor dem Finanzgericht Münster war streitig, ob die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts im Streitfall zu Einkünften im Sinne des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führt, also ein sogenanntes privates Veräußerungsgeschäft gegeben ist.
Erfreulicherweise entschied das Gericht hier mit Urteil vom 12.12.2023 unter dem Aktenzeichen 6 K 2489/22 E im Sinne der Steuerpflichtigen. Nach der Entscheidung ist ein unentgeltlich eingeräumtes Nießbrauchsrecht zwar ein Wirtschaftsgut im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes, dass auch einlage- und entnahmefähig ist. Der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht stellt jedoch keine Veräußerung, sondern lediglich einen veräußerungsähnlichen Vorgang dar. Veräußerungsähnliche Vorgänge hingegen fallen nach Auffassung des Finanzgerichtes Münster nicht unter die Regelung des privaten Veräußerungsgeschäftes in § 23 EStG.
Diese erfreuliche Auffassung begründet das Gericht wie folgt:
Private Veräußerungsgeschäfte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nummer 2 Satz 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Bei Wirtschaftsgütern in diesem Sinne, aus deren Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt werden, erhöht sich der Zeitraum auf zehn Jahre. Als Anschaffung gilt auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe. Soweit die Darstellung der gesetzlichen Normierung.
Zweck der Regelung des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer zu unterwerfen. Insoweit durchbricht die Regelung des § 23 EStG die dem Dualismus der Einkunftsarten immanente Unbeachtlichkeit von Wertveränderungen des Privatvermögens.
Tatsächlich stellt insoweit das streitgegenständliche Nießbrauchsrecht auch ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG dar. Andere Wirtschaftsgüter in diesem Sinne sind Wirtschaftsgüter jedweder Art im Privatvermögen, die nicht unter § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG fallen, das heißt nicht Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte oder in die Veräußerungsgewinnbesteuerung einzubeziehende Gebäude und Außenanlagen sind. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist dabei geklärt, dass der Begriff des Wirtschaftsgutes weit zu fassen ist und auf Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen ist. Wirtschaftsgüter sind dementsprechend nicht nur Sachen und Rechte im zivilrechtlichen Sinne, sondern vielmehr auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten und damit sämtliche Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung sich ein Kaufmann etwas kosten lässt, die einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und jedenfalls mit dem Betrieb übertragen werden können. Darunter fallen grundsätzlich auch immaterielle Wirtschaftsgüter.
Unentgeltlich eingeräumte (schuldrechtliche und dingliche) Nutzungsrechte an Grundstücken werden als einlagefähige Wirtschaftsgüter angesehen, falls der Inhaber des Nutzungsrechts eine rechtlich gesicherte Position erlangt hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann.
Unter Beachtung dieser Grundsätze stellt auch das Nießbrauchsrecht ein Wirtschaftsgut im Sinne der einschlägigen Regelung zum privaten Veräußerungsgeschäft dar. Nießbrauch ist nämlich die Belastung einer Sache bzw. eines Rechtes in der Weise, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzung der Sache zu ziehen. Es handelt sich um eine gegenüber dem Eigentum an der belasteten Sache verselbstständigtes, dingliches Nutzungsrecht, welches dem Inhaber gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Dementsprechend sind Nießbrauchsrechte an Grundstücken auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Wirtschaftsgüter, so beispielsweise dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28.2.1974 unter dem Aktenzeichen IV R 60/69 zu entnehmen. Sie entstehen durch die Bestellung mit Beginn der Nießbrauchsberechtigung im privaten Vermögensbereich.
Nießbrauchsrechte sind also einlagefähig und damit auch entnahmefähig. Der Bundesfinanzhof hat auch bereits wiederholt entschieden, dass ein schuldrechtlich vereinbartes Nutzungsrecht zu aktivieren ist, wenn der Inhaber des Nutzungsrechts eine rechtlich gesicherte Position erlangt hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. So beispielsweise das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.11.1977 unter dem Aktenzeichen I R 83/75. Die dinglich gesicherte Rechtsposition des Nießbrauchers erfüllt diese Voraussetzung. Der Bundesfinanzhof hat daher keine Bedenken, Nießbrauchsrechte an Grundstücken als einlagefähige Wirtschaftsgüter anzusehen.
Das unentgeltliche Nießbrauchsrecht als immaterielles Nutzungsrecht ist zwar einlagefähig, indessen nicht auch bewertungsfähig. Aus diesem Grund erfolgt sowohl die Einlage als auch die Entnahme zu einem Wert von null Euro. Ein unentgeltlich erworbenes Nießbrauchsrecht kann nicht mit dem Teilwert in das Betriebsvermögen eingelegt werden.
Nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 26.10.1987 unter dem Aktenzeichen GrS 2/86 sind Nutzungsrechte zwar grundsätzlich für die Einlage geeignet. Ihnen steht auch das Aktivierungsverbot für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nicht entgegen. Bei ihrer Bewertung ist jedoch dem Zweck der Einlageregelung Rechnung zu tragen. Dieser besteht nur darin, das vom Steuerpflichtigen steuerfrei gebildete oder bei ihm bereits besteuerte Vermögen nach der Einbringung in den Betrieb nicht durch eine Erhöhung der Gewinneinkünfte der nochmaligen Besteuerung zu unterwerfen, und nicht etwa auch noch darin, einen auf einer Nutzung beruhenden und im Betrieb erwirtschafteten Gewinn der Besteuerung zu entziehen. Die Einlage eines unentgeltlich eingeordneten Nutzungsrechts zum Teilwert kommt danach nicht in Betracht, weil gerade hierdurch der auf der Nutzung beruhende und Betrieb erwirtschaftete Gewinn der Besteuerung entzogen würde, obwohl selbst im Privatvermögen gezogene Nutzungen regelmäßig zu Einkünften aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung führen und der Besteuerung unterliegen.
Sofern das immaterielle Anlagegut Gegenstand eine Einlage sein kann, so kann es grundsätzlich in gleicher Weise auch Gegenstand einer Entnahme sein. Das erstinstanzliche Finanzgericht Münster stellte jedoch weiterhin klar, dass ein Nießbrauchsrecht bei entgeltlichem Verzicht entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes veräußert wird.
Mit den Bestimmungen in § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG erfasst das Einkommensteuergesetz innerhalb der Veräußerungsfrist von einem Jahr realisierte Wertveränderungen von beweglichen Wirtschaftsgütern jeder Art im Privatvermögen. Unter der Bedingung der Nutzung des Wirtschaftsgutes als Einkunftsquelle wird die Frist auf zehn Jahre erweitert, wie bereits eingangs gesagt.
Die in § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG verwendeten Begriffe »Anschaffung« und »Veräußerung« erschließen sich dabei aus den Regelungen des Einkommensteuergesetzes, des Handelsgesetzbuches und des Bürgerlichen Gesetzbuches. Unter Anschaffung bzw. Veräußerung sind danach der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf einen Dritten zu verstehen. Eine »Veräußerung« in diesem Sinne setzt somit nicht nur die Entgeltlichkeit des Übertragungsvorgang voraus, sondern auch, dass sich aufgrund der zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen ein Rechtsträgerwechsel an dem veräußerten Wirtschaftsgut vollzieht.
Abzugrenzen von der Veräußerung sind sogenannte veräußerungsähnliche Vorgänge. Veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich liegen vor, sofern ein Entgelt dafür erbracht wird, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird. Der Verzicht auf das Wirtschaftsgut »Nießbrauchsrecht« stellt insoweit keine Veräußerung, sondern einen veräußerungsähnlichen Vorgang dar. Tatsächlich fehlt es nämlich an dem für die Veräußerung erforderlichen Rechtsträgerwechsel.
Wie das Gericht wie bereits oben zitiert dargelegt hat, ist das Nießbrauchsrecht als Wirtschaftsgut zu qualifizieren. Dieses Wirtschaftsgut ist allerdings kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht übertragbar. Analog ist nach herrschender Meinung auch der schuldrechtliche Anspruch auf Bestellung eines Nießbrauchsrechts nicht übertragbar, weil damit im Ergebnis dasselbe erreicht werden könnte wie mit der Übertragung des Nießbrauchs. Der nicht übertragbare Nießbrauch erlischt vielmehr, wenn nichts anderes vereinbart ist, mit dem Tod des Nießbrauchers. Der Nießbrauch an Grundstücken wird durch einseitige Aufgabeerklärung des Berechtigten und Löschung aufgehoben.
Ist wie im streitgegenständlichen Fall durch die Klägerin auf den Nießbrauch verzichtet worden, wird damit nicht das Wirtschaftsgut Nießbrauch an den Eigentümer des Grundstücks zurückübertragen. Ein Rechtsträgerwechsel findet also nicht statt. Der Nießbrauch erlischt vielmehr. Infolge des Erlöschens fallen die dem Nießbraucher zustehenden Nutzungs- und Fruchtgenussrechte wieder dem Eigentümer des Grundstücks zu. Insofern handelt es sich bei dem entgeltlichen Verzicht auf den Nießbrauch um einen Vorgang, bei dem ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird und damit um einen veräußerungsähnlichen Vorgang.
Solche veräußerungsähnlichen Vorgänge werden nicht vom privaten Veräußerungsgeschäft erfasst. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 23 EStG, der eine Steuerpflicht für bestimmte »Veräußerungsgeschäfte« und nicht für veräußerungsähnliche Geschäfte regelt. In der Urteilsbegründung führt das hier erkennende Finanzgericht Münster noch zahlreiche weitere Argumente auf, warum auch veräußerungsähnliche Vorgänge nicht vom privaten Veräußerungsgeschäft erfasst werden. Betroffenen sei daher ein ausführliches Studium der Urteilsbegründung zu empfehlen.
Für die Praxis ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Finanzgericht Münster gezwungen war, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen. Ob der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht (auch nach Einführung der Abgeltungsteuer) ein Veräußerungsvorgang oder lediglich ein veräußerungsähnlicher Vorgang ist, ist nämlich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Kontext des privaten Veräußerungsgeschäftes bisher nicht entschieden worden.
Wie nicht anders zu erwarten, hat die Finanzverwaltung natürlich auch den Revisionszug nach München zum Bundesfinanzhof bestiegen. Unter dem Aktenzeichen IX R 4/24 müssen daher die obersten Finanzrichter der Republik klären, ob die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts oder der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht zu steuerbaren Einkünften im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes führt.
Betroffene sollten sich an das Verfahren beim Bundesfinanzhof in München anhängen und hinsichtlich der eigenen Argumentation auf die Urteilsbegründung des Finanzgerichtes Münster verweisen. Aus unserer Sicht stehen die Chancen nicht schlecht, dass die obersten Finanzrichter der Republik die Auffassung ihre erstinstanzlichen Kollegen bestätigen.
2. Für alle Steuerpflichtigen: Objektverbrauch bei der Steuerbegünstigung für selbstbewohnte Baudenkmäler
Entsprechend der gesetzlichen Norm in § 10f Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen an einem eigenen Gebäude im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 9 % wie Sonderausgaben abziehen, wenn die Voraussetzungen des § 7h EStG oder des § 7i EStG vorliegen. Dies gilt allerdings nur, soweit er das Gebäude in dem jeweiligen Kalenderjahr zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die Aufwendungen nicht in die Bemessungsgrundlage des seinerzeitigen § 10e EStG oder dem Eigenheimzulagengesetz einbezogen worden sind.
Entsprechend der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 10f Abs. 3 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nur bei einem Gebäude in Anspruch nehmen. Ehegatten können die Abzugsbeträge bei insgesamt zwei Gebäuden abziehen. Sind mehrere Steuerpflichtige Eigentümer eines Gebäudes, so ist die Regelung mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Anteil des Steuerpflichtigen an einem solchen Gebäude dem Gebäude gleichsteht.
Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, die Feststellung des Inhalts der Norm, die Auslegung anhand des Wortlauts der Norm, anhand des Zweckes, aus dem Zusammenhang sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Dieser verschiedenen Auslegungsmethoden darf sich das Gericht gleichzeitig und nebeneinander bedienen, wie bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 5.4.2022 unter dem Aktenzeichen VII R 52/20 wiederholt dargestellt hat.
Auf dieser Basis versteht der Bundesfinanzhof in seiner aktuellen Entscheidung vom 24.5.2023 unter dem Aktenzeichen X R 22/20 die Regelung in § 10f EStG dahingehend, dass der Steuerpflichtige von der Steuervergünstigung im Verlauf seines Lebens nur für ein einziges Gebäude bzw. einen gleichstehenden Miteigentumsanteil Gebrauch machen kann.
Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, nach dem der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nur bei einem Gebäude in Anspruch nehmen kann.
Dabei handelt es sich nicht um einen unbestimmten Artikel, sondern um ein Zahlwort. Dies folgt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs eindeutig aus einem Vergleich mit der entsprechenden Regelung für Ehegatten im Folgesatz, die Abzugsbeträge bei insgesamt zwei Gebäuden abziehen können. Dem Wort »einem« wird mithin das Zahlwort »zwei« entgegengesetzt.
Dafür, dass die im Gesetz enthaltene Beschränkung der Förderung auf ein einziges Objekt lediglich die Inanspruchnahme der Vergünstigung für mehr als ein Objekt in demselben Veranlagungszeitraum nebeneinander und nicht auch in mehreren Veranlagungszeiträume nacheinander unterbindet, finden sich in der Vorschrift keine Anhaltspunkte.
Vor diesem Hintergrund ist von einer umfassenden Beschränkung des Abzugs nur auf ein Objekt auszugehen, sodass es nicht möglich ist, in einem späteren Veranlagungszeitraum Beträge für ein anderes Objekt abzuziehen. Insoweit tritt durch die Inanspruchnahme einer Steuervergünstigung nach § 10f Abs. 1 EStG ein Objektverbrauch ein.
In der Urteilsbegründung liefert der Bundesfinanzhof noch zahlreiche weitere Argumente für seine vorgenannte Entscheidung. Betroffene können daher ruhig ein Blick in die Urteilsbegründung werfen. Im Ergebnis muss die Entscheidung der obersten Finanzrichter der Republik jedoch auch als denklogisch betrachtet werden. Für die Praxis bedeutet dies: Wer die Steuerbegünstigung für selbstbewohnte Baudenkmäler in Anspruch nehmen möchte, sollte sich im Vorfeld gut überlegen, ob nicht auch ein weiteres Baudenkmal als selbstgenutztes Objekt erfolgen kann, bei dem die Steuerbegünstigung gegebenenfalls mehr angebracht wäre. Da dies, wie so häufig im Leben, schwer zu planen ist, wird es wohl dabei bleiben, dass in aller Regel das erste selbstgenutzte Baudenkmal steuerbegünstigt ist und dann der Objektverbrauch eintritt.
3. Für alle Steuerpflichtigen: Zur Auswirkung des Verlustrücktrages auf den Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr.
Zugegeben, schon die Überschrift hört sich eher ungewöhnlich an. Welche Auswirkungen mag ein Verlustrücktrag schon auf den Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr haben? Im Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 3.5.2023 unter dem Aktenzeichen IX R 6/21 zugrunde lag, geht es jedoch durchaus um eine sehr praktische Frage. Streitig ist insoweit gewesen, ob ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte im Streitjahr einen Steuererstattungsüberhang ausgleicht, obwohl die im Streitjahr nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte im unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum in voller Höhe vom dortigen Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen worden sind, also ein Verlustrücktrag durchgeführt wurde.
Das Gericht äußert sich zu dieser Frage wie folgt: Der Einkommensteuer unterliegen entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Einkünfte. § 2 Abs. 2 EStG verweist auf die Vorschriften über die Einkünfteermittlung. In § 2 Abs. 7 EStG ist geregelt, dass der Einkünfteermittlung das Prinzip der Abschnittsbesteuerung zugrunde liegt. Durch das Zusammenspiel dieser und der in Bezug genommenen Vorschriften werden alle verwirklichten, besteuerungsrelevanten Sachverhalte im Grundsatz einer Person und einer bestimmten Periode eindeutig zugeordnet. Eine Folge der eindeutigen zeitlichen Zuordnung ist, dass ein besteuerungsrelevanter Sachverhalt grundsätzlich nur in dieser und nicht in einer anderen Periode berücksichtigt wird. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein besteuerungsrelevanter Sachverhalt bei leistungsgerechter Besteuerung nur einmal berücksichtigt werden darf.
Gemäß § 2 Abs. 3 EStG werden die positiven und negativen Einkünfte einer Periode innerhalb der jeweiligen Einkunftsart (horizontal) und danach auch Einkunftsart übergreifend (vertikal) miteinander ausgeglichen bzw. verrechnet. Insoweit ist die Rechengröße der »Summe der Einkünfte« der Saldo der Einkünfte.
Negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, sind in bestimmten Grenzen vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Zeitraums abzuziehen. Die Vorschrift durchbricht im Interesse einer leistungsgerechten Besteuerung das strenge Abschnittsprinzip, indem sie ermöglicht, dass negative Einkünfte, also Verluste, die im Entstehungsjahr mangels positiver ausgleichsfähiger Einkünfte nicht ausgeglichen werden, in einem anderen Besteuerungsabschnitt abgezogen werden. Das Gesetz überschreibt damit die ursprüngliche zeitliche Zuordnung der betreffenden Einkünfte, also die Abschnittsbesteuerung. Die Einkünfte werden, soweit sie dort abgezogen werden, mit steuerlicher Wirkung in das Abzugsjahr zurückgetragen.
Die Norm des § 10d Abs. 1 EStG regelt nicht ausdrücklich, welche Auswirkungen der Verlustrücktrag im Entstehungsjahr hat. Die Frage ist weder gerichtlich entschieden noch wird sie, soweit ersichtlich, im Schrifttum erörtert. Ist der Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr vor dem Verlustrücktrag negativ, wirkt es sich auf die Ermittlung des Einkommens und die Höhe der festzusetzenden Steuer nicht aus, ob er nach dem Verlustrücktrag gegebenenfalls bis auf null Euro erhöht wird. Anders ist dies, wenn ein Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Absatz 4b Satz 3 EStG das Einkommen erhöht. Dann stellt sich die Frage, ob der negative Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr ungeachtet des Verlustrücktrages weiterhin die Grundlage für die Ermittlung des Einkommens im Entstehungsjahr bildet und den Hinzurechnungsbetrag, der sich steuermindernd auswirkt, mindert.
Entsprechend der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 3.5.2023 unter dem Aktenzeichen IX R 6/21 ist diese Frage zu verneinen. Negative Einkünfte sind, soweit sie nach § 10d Abs. 1 EStG zurückgetragen worden sind, zeitlich nicht mehr dem Entstehungsjahr zuzuordnen und bilden demzufolge auch nicht mehr die Grundlage für die Ermittlung des Einkommens im Entstehungsjahr. Für den Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr bedeutet dies, dass er nach der Durchführung des Verlustrücktrages um den Betrag der zurückgetragenen Einkünfte zu erhöhen ist. Sind die im Entstehungsjahr nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte in voller Höhe zurückgetragen worden, beträgt der Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr nach der Durchführung des Verlustrücktrages null Euro.
Das ist die Folge der materiell-rechtlichen Konzeption des Verlustrücktrages und der Grundregeln der periodengerechten Einkommensermittlung. Die in zeitlicher Hinsicht ursprünglich dem Entstehungsjahr zuzuordnen Einkünfte werden unter den Voraussetzungen des Verlustrücktrages dem Rücktragsjahr zugeordnet und dort berücksichtigt. Das bedeutet, dass sie im Rücktragsjahr eine Ausgangsgröße für die Ermittlung des im Rücktrag wirksam werdenden Verlustabzugs bilden. Dadurch wird eine vom Grundfall abweichende, eindeutige zeitliche Zuordnung bewirkt, die es wie die ursprüngliche zeitliche Zuordnung ausschließt, dass die betroffenen Besteuerungsgrundlagen zugleich in einem anderen Besteuerungsabschnitt berücksichtigt werden. Denn die zugrundeliegende Annahme, dass ein besteuerungsrelevanter Sachverhalt bei der Ermittlung des Einkommens nur einmal, das heißt in einer bestimmten Periode, und nicht zugleich in einer anderen Periode berücksichtigt werden kann, wird durch die Regelung des Verlustrücktrages nicht infrage gestellt, sondern bestätigt. Die eindeutige zeitliche Zuordnung einer Besteuerungsgrundlage ermöglicht es nicht nur, das Einkommen periodengerecht zu ermitteln. Sie bezweckt zugleich, Doppel- und Mehrfach-Berücksichtigungen auszuschließen. Dies ist notwendig, um den relevanten Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit gleichmäßig und sachgerecht ermitteln zu können.
Diese Wirkungsweise des Verlustabzugs zeigt sich auch darin, dass nur die nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte zurückgetragen werden können. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass negative Einkünfte, soweit sie im Entstehungsjahr ausgeglichen worden sind, für den Rücktrag nicht zur Verfügung stehen. Sie sind im Entstehungsjahr wirksam geworden und durch den Ausgleich schlichtweg verbraucht. Insofern verbleibt es bei der ursprünglichen zeitlichen Zuordnung. Entsprechendes muss daher gelten, soweit es zum Rücktrag, das heißt zu einer abweichenden zeitlichen Zuordnung der betreffenden Besteuerungsgrundlagen kommt. Diese können sich dann nur noch im Rücktragsjahr auswirken und sind danach für eine weitere Berücksichtigung im Entstehungsjahr wie auch für den Verlustrücktrag schlichtweg verbraucht.
Verfahrensrechtliche Folge davon ist, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes über Grund und Höhe des Verlustrücktrages im Rücktragsjahr zu entscheiden ist, wo sich der Verlustrücktrag auch tatsächlich auswirkt. So beispielsweise der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 10.3.2020 unter dem Aktenzeichen IX R 24/19. Diese Rechtsprechung wäre inkonsistent, wenn sich die zurückgetragenen Einkünfte auch im Entstehungsjahr auswirken würden.
Der Bundesfinanzhof fasst insoweit seine aktuelle Entscheidung unter folgenden zwei Leitsätzen zusammen:
1. Negative Einkünfte sind, soweit sie nach § 10d Abs. 1 EStG zurückgetragen worden sind, zeitlich nicht mehr dem Entstehungsjahr zuzuordnen und bilden demzufolge auch nicht (mehr) die Grundlage für die Ermittlung des Einkommens im Entstehungsjahr.
2. Der negative Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr ist nach Durchführung des Verlustrücktrages, um den Betrag der zurückgetragenen Einkünfte zu erhöhen. Der durch den Verlustabzug modifizierte Gesamtbetrag der Einkünfte bildet die Ausgangsgröße für die weitere Ermittlung des Einkommens gemäß § 2 Abs. 4 EStG.
4. Für alle Steuerpflichtigen: Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit
In einem Verfahren vor dem Finanzgericht Münster war zwischen den Beteiligten streitig, ob durch die Zwangsversteigerung eines in der Insolvenzmasse befindlichen Grundstücks der Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäftes erfüllt ist und ob die auf diesen Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer ein Masseverbindlichkeit darstellt. Das Finanzamt beantwortete beides mit Ja. Dies sah jedoch in der Entscheidung des Finanzgerichtes Münster vom 25.1.2024 unter dem Aktenzeichen 10 K 1934/21 G schon anders aus.
Zunächst einmal konnte vom Gericht im Streitfall unentschieden bleiben, ob die Zwangsversteigerung der in der Insolvenzmasse befindlichen Immobilie eine willentliche Veräußerung im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes darstellt und damit der entsprechende Besteuerungstatbestand tatsächlich verwirklicht ist. Das Finanzamt hat nämlich schon zu Unrecht die Einkommensteuer, soweit sie aus der Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden Immobilie resultiert, als Masseverbindlichkeit erfasst und dementsprechend auch rechtswidrig eine auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer gegenüber dem Kläger durch Steuerbescheid festgesetzt.
Zur Begründung führt das Gericht wie folgt aus:
Im Fall der Insolvenz ist die Einkommensteuer verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zuzuordnen. Zu unterscheiden ist zwischen Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten als Forderung gegen die Insolvenzmasse sowie Forderungen gegen das Insolvenzfreivermögen.
Insolvenzforderungen sind solche Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Dagegen handelt es sich um Masseverbindlichkeiten, soweit die Verbindlichkeiten entweder durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder aber in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Die Zuordnung der Steuerforderungen bestimmt sich dabei nicht nach dem Steuerrecht, sondern nach dem Insolvenzrecht. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der gegen den Insolvenzschuldner gerichtete Anspruch begründet wird. Dabei wird die Einkommensteuerschuld für die insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung schon dann begründet, wenn im Laufe des Veranlagungszeitraums die einzelnen für die Höhe des Jahreseinkommens maßgeblichen Besteuerungsmerkmale verwirklicht werden. Ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrecht begründet ist, richtet sich auch im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wie beispielsweise im Urteil vom 29.8.2007 unter dem Aktenzeichen IX R 4/07.
Bezogen auf die Einkommensteuer kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung der Steuerforderungen folglich darauf an, ob der einzelne (und selbstständige) Besteuerungstatbestand vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde. Auf die Entstehung des Steueranspruchs kommt es dagegen nicht an. Sind in einem Veranlagungszeitraum mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien betroffen, so ist die einheitlich ermittelte Einkommensteuerschuld aufzuteilen. Der Insolvenzverwalter ist Alleinadressat der Steuerbescheide über Ansprüche, die Masseverbindlichkeiten darstellen. Hingegen ist er nicht Adressat der Verwaltungsakte, die das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners betreffen. Diese sind dem Insolvenzschuldner bekanntzugeben. Bei Eröffnung des Verfahrens begründete Steuerforderungen sind beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden.
Nach diesen Maßstäben (und die Begründung des erstinstanzlichen Finanzgerichts Münster enthält noch weitere Argumente) stellte im vorliegenden Streitfall die Einkommensteuer, soweit sie auf den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften entfällt, keine Masseverbindlichkeit dar. Tatsächlich hat sich das Finanzamt mit dieser Entscheidung nicht zufriedengegeben und die Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt.
Unter dem Aktenzeichen IX R 6/24 müssen die obersten Finanzrichter der Republik nun klären, ob die Zwangsversteigerung eines zur Insolvenzmasse gehörenden Grundstücks den Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäftes erfüllt und (wenn dies zu bejahen ist) die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer ein Masseverbindlichkeit ist, wenn die Beschlagnahme vor und die Versteigerung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt.
5. Für Selbstständige: Steuerpflicht von Corona-Überbrückungshilfen
Vor dem Finanzgericht Düsseldorf war streitig, ob eine Billigkeitshaftung des Landes Nordrhein-Westfalen in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für unter anderem Angehörige der freien Berufe, die infolge der Corona-Krise erhebliche Umsatzausfälle erlitten haben, als steuerpflichtige Betriebseinnahme zu erfassen ist.
Mit Urteil vom 7.11.2023 hat das Finanzgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 13 K 570/22 E dazu wie folgt Stellung genommen:
Betriebseinnahme sind nach ständiger Rechtsprechung alle Zugänge, Entgelte oder Geldeswerte, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine Einnahme ist betrieblich veranlasst, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb gegeben ist. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb erwirtschaftet wurde, noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf die Einnahmen hat.
Unter Berücksichtigung dieser einfachen Rechtsgrundsätze kommt das Finanzgericht Düsseldorf in der oben bereits zitierten Entscheidung zu dem Schluss, dass die Corona-Überbrückungshilfen im vorliegenden Fall Einnahmen bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit darstellten.
Das Land Nordrhein-Westfalen hatte im Rahmen der Überbrückungshilfe den aus Bundesmitteln finanzierten Betrag um eine aus Landesmitteln gespeiste sogenannte NRW-Überbrückungshilfe Plus ergänzt. Diese sah für Solo-Selbstständige, Freiberufler und im Unternehmen tätige Inhaber von Einzelunternehmen sowie Personengesellschaften eine Zahlung von 1.000 Euro pro Monat für maximal drei Monate als Wirtschaftsförderungsleistung vor, sofern für diese Zeit keine Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch gezahlt wurde. Dies erfolgte vor dem Hintergrund, dass das Bundesprogramm der Überbrückungshilfe I bestimmte, dass Kosten der privaten Lebenshaltung nicht abgedeckt waren. Da viele Unternehmensinhaber, Freiberufler und Solo-Selbstständige die Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld II nicht erfüllten, sollte ihnen durch die NRW Überbrückungshilfe Plus geholfen werden, sofern sie die Antragsvoraussetzungen für die Überbrückungshilfe des Bundes erfüllten. Mit der Zahlung der NRW Überbrückungshilfe Plus konnten Ausgaben für die private Lebensführung beglichen werden. Voraussetzung für die Bewilligung dieser Überbrückungshilfe war, dass der Umsatzrückgang im Fördermonat mindestens 40 % im Vergleich zum Umsatz des Vergleichsmonats betrug. Anderenfalls entfiel die Wirtschaftsförderung von pauschal 1.000 Euro anteilig für den jeweiligen Fördermonat.
Auf Basis dieser Einordnung erkennt das Finanzgericht Düsseldorf die Zahlungen der NRW-Überbrückungshilfe Plus als Betriebseinnahmen. Zwischen den Leistungen und dem Betrieb bestand insoweit ein wirtschaftlicher Zusammenhang. Die hier in Rede stehende Unterstützung wurde nur an Freiberufler und Unternehmer gezahlt, die ihre Tätigkeit während des Förderzeitraums im Haupterwerb von einer in NRW befindlichen Betriebsstätte oder einem in NRW befindlichen Sitz der Geschäftsführung ausführten. Die Zahlung der NRW-Überbrückungshilfe Plus hängt zudem von der Höhe des Umsatzes im Förderzeitraum im Vergleich zum Umsatz des Vergleichsmonats ab. Die Zuwendung wurde vom Land NRW geleistet, um dem Empfänger die Möglichkeit zu geben, sich weiter der betrieblichen oder freiberuflichen Tätigkeit zu widmen. Diese betriebliche Veranlassung der Zahlung wird nicht dadurch aufgehoben, dass die gewährten Mittel zur Deckung von Privataufwendungen verwendet werden dürften, denn die spätere Verwendung von zugeflossenem Geld hat keinen (rückwirkenden) Einfluss auf den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Geldzahlung und Betrieb.
Die zwangsläufige Entscheidung der Düsseldorfer Richter lautet daher: Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Corona-Überbrückungshilfe, auch soweit sie zur Abdeckung der privaten Lebenshaltungskosten geleistet wurde, nicht steuerfrei.
Damit ist jedoch das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Kläger ist nämlich in Revision vor den Bundesfinanzhof gezogen. Dort ist zunächst einmal unter dem Aktenzeichen VIII R 34/23 zu klären, ob die Zahlung der genannten Corona-Überbrückungshilfe zur Deckung von Ausgaben der privaten Lebensführung tatsächlich als steuerpflichtige Betriebseinnahme zu erfassen ist.
Sollte dies mit Ja beantwortet werden, muss der Bundesfinanzhof ebenso noch klären, ob auf die Corona-Überbrückungshilfen gegebenenfalls die Regelung zur Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 2 Buchst. d und Nummer 11 EStG anzuwenden sind.
Im Ergebnis muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof wahrscheinlich keine hohen Erfolgschancen winken. Insoweit sind insbesondere die alternativ anzuwenden Steuerbefreiungen vermutlich schon dem Wortlaut nach nicht komplett zutreffend. Dennoch könnte man davon ausgehen, dass die genannten Steuerbefreiungen nach Sinn und Zweck sehr wohl auch die Corona-Überbrückungshilfen betreffen könnten. Die Hoffnung auf eine positive Entscheidung stirbt somit zuletzt.
6. Für Pflegeeltern: Ab wann besteht der Kindergeldanspruch?
Das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt hatte über den Kindergeldanspruch und den Kinderbonus für 2020 im Fall eines Pflegekindes zu entscheiden. Im Urteilssachverhalt ging es darum, dass das Kind am 26.11.2020 geboren wurde. Am 7.12.2020 wurde das Kind bei seinen Pflegeeltern im Haushalt aufgenommen, welche daraufhin für November und Dezember den Antrag auf Kindergeld stellten sowie auch den Antrag auf den Kinderbonus für 2020.
Die zuständige Familienkasse lehnte jedoch die Kindergeldfestsetzung für beide Monate mit der Begründung ab, dass das Kind erst ab 7. Dezember in den Haushalt aufgenommen worden ist und die Änderung in den Familienverhältnissen erst ab dem Folgemonat zu einem Anspruch führen würden. Ebenso lehnte die Familienkasse den Kindergeldbonus für 2020 ab, da aufgrund der zuvor beschriebenen Entscheidung kein Anspruch auf Kindergeld für 2020 bestanden habe.
Die gute Nachricht dabei ist nun, dass die erstinstanzliche Entscheidung des Finanzgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt vom 2.2.2023 unter dem Aktenzeichen 4 K 848/21 zumindest größtenteils positiv war. So kam das erstinstanzliche Gericht zwar zu dem Schluss, dass die Pflegeeltern für den streitgegenständlichen Monat November keinen Anspruch auf Kindergeld haben, da das Kind in diesem Monat nicht haushaltszugehörig bei ihnen war. Für den Monat Dezember gewährte das Gericht jedoch das Kindergeld. Zur Begründung führten die erstinstanzlichen Richter an: Ein Haushaltswechsel des Kindes während des laufenden Monats kann bei dem neuen Berechtigten ausnahmsweise nicht erst ab dem Folgemonat berücksichtigt werden, wenn eindeutig feststeht, dass es im Monat des Haushaltswechsels nicht zu Doppelzahlungen kommen kann.
Damit stand den Pflegeeltern schon mal das Kindergeld für den Monat Dezember 2020 zu. Da sie insoweit im Jahr 2020 Kindergeld erhalten haben urteilten die Richter denklogisch, weiter, dass sie auch Anspruch auf den Kindergeldbonus für 2020 haben.
Insgesamt eine positive Entscheidung, die aus unserer Sicht durchaus zu begrüßen ist. Offensichtlich war jedoch die Familienkasse anderer Meinung und hat den Revisionszug zum Bundesfinanzhof bestiegen. Unter dem Aktenzeichen III R 5/23 müssen sich nun daher die obersten Finanzrichter der Republik mit der Frage beschäftigen, ob in dem vorliegend geschilderten Sachverhalt ein Kindergeldanspruch und dem folgend ein Anspruch auf den Kinderbonus 2020 für das Pflegekind besteht. Leider wird es auch an dieser Stelle Pflegeeltern nicht unbedingt einfach gemacht.
7. Für alle Steuerpflichtigen: Zur Verrechnung und Hinzurechnung einer Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für mehrere Jahre
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die dem Steuerpflichtigen erstattet worden sind, sind auch dann gemäß § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG mit den dort genannten Aufwendungen zu verrechnen und gemäß § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen, wenn die Erstattung darauf beruht, dass ein Sozialversicherungsverhältnis rückabgewickelt oder rückwirkend umgestellt worden ist.
Die Verrechnung und die Hinzurechnung sind unabhängig davon vorzunehmen, ob im Erstattungsjahr noch eine Änderung der Bescheide der Zahlungsjahre nach §§ 173 ff. AO möglich ist. Die Regelungen über die Verrechnung und Hinzurechnung erstatteter Sonderausgaben in § 10 Abs. 4b Sätze 2 und 3 EStG verstoßen nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
So lauten die Leitsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 22.3.2023 unter dem Aktenzeichen X R 27/21.
Im Urteilssachverhalt ging es um die steuerliche Behandlung von erstatteten Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Klägerin erhielt eine Erstattung rund 39.500 Euro von ihrer Krankenkasse aufgrund einer Neuanordnung ihres Status. Das Finanzamt behandelte diese Erstattung gemäß § 10 Abs. 4b EStG, verrechnete sie zunächst mit den Vorsorgeaufwendungen der Klägerin und fügte den verbleibenden Betrag dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzu. Mit anderen Worten, die Erstattung wirkte steuererhöhend.
Nach Auffassung der Kläger handelt es sich jedoch bei dem Erstattungsbetrag um einen typischen Erstattungsverfall entsprechend der Regelung in § 10 Absatz 4b EStG, welcher nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen ist. Dem folgte jedoch das Gericht nicht. Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Erstattungen mit den Vorsorgeaufwendungen zu verrechnen sind und der verbleibende Betrag dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen ist. Gemäß dieser Regelung müssen Erstattungen, die die geleisteten Aufwendungen übersteigen, mit anderen Aufwendungen verrechnet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine rückwirkende Änderung von bestandskräftigen Bescheiden möglich ist.
Zur Begründung führte das Gesetz wie folgt an: Die gesetzlichen Regelungen gemäß § 10 Abs. 4b EStG sehen vor, dass Erstattungen im Zusammenhang mit Sonderausgaben mit anderen Aufwendungen verrechnet werden müssen. Dies dient der steuerlichen Gleichbehandlung und der Vermeidung von Doppelbegünstigungen. Die Entscheidung des Finanzgerichts beruhte auf einer korrekten Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften.
Zusammenfassend muss darauf hingewiesen werden, dass die Revision beim Bundesfinanzhof zurückgewiesen wurde. Die steuerliche Behandlung der erstatteten Beiträge, konkret die steuererhöhende Auswirkung, ist dementsprechend auch nach der Aussage der obersten Finanzrichter der Republik rechtmäßig und entspricht den gesetzlichen Vorgaben.
8. Für alle Steuerpflichtigen: Reichweite des Datenzugriffsrechts der Finanzverwaltung und E-Mails als Handelsbriefe
Mit Urteil vom 23.3.2023 hat das Finanzgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen 2 K 172/19 entschieden, dass die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO, wonach die die Finanzverwaltung Anspruch auf die Vorlage von Daten hat, die mit einem Datenverarbeitungssystem erstellt wurden, nur auf solche Unterlagen zutrifft, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat.
Zu diesen Unterlagen gehören insbesondere:
Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen,
die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe,
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe,
Buchungsbelege,
Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union,
sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.
Handelsbriefe entsprechend § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO in Verbindung mit §§ 257 Abs. 2, 343 HGB sind nicht auf eine bestimmte Form beschränkt, sodass auch E-Mails Handelsbriefe sein können. Schriftstücke betreffen ein Handelsgeschäft im Sinne der §§ 343 ff. HGB, wenn sie seine Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung zum Gegenstand haben.
Die im Rahmen eines Vertragsverhältnisses, welches als Handelsgeschäft entsprechend § 343 HGB qualifiziert ist, zu erbringenden Erfüllungsgeschäfte wie die Auskunftserteilung oder Serviceleistungen betreffen die Durchführung dieses Handelsgeschäfts und qualifizieren ebenfalls als Handelsgeschäfte. Sind derartige Erfüllungsgeschäfte in einem Schriftstück verkörpert, unterliegen diese der Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO.
Es besteht jedoch kein Anspruch der Finanzverwaltung auf Vorlage eines elektronischen Gesamtjournals, welches nach den Vorgaben der Finanzverwaltung Informationen zu jeder einzelnen empfangenen bzw. versandten E-Mail des Steuerpflichtigen enthalten soll. Die Aufforderung zur Vorlage eines Gesamtjournals, in dem auch nicht nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtige E-Mails aufgelistet bzw. nach den Vorgaben der Finanzverwaltung dargestellt werden sollen, überschreitet die Befugnisse der Finanzverwaltung aus § 147 Abs. 6 AO und ist damit rechtswidrig.
Eine allgemein formulierte Aufforderung zur Vorlage von elektronischen Unterlagen "en bloc" kann, unter Berücksichtigung des Erstqualifikationsrechts des Steuerpflichtigen, sowohl dem Bestimmtheitsgebot des § 119 AO genügen als auch vom Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung nach § 147 Abs. 6 AO gedeckt bzw. verhältnismäßig sein.
Soweit die zusammengefassten Aussagen der ersten Instanz. Der Bundesfinanzhof wird sich jedoch unter dem Aktenzeichen XI R 15/23 weitergehend noch mit der Rechtsfrage beschäftigen müssen, ob die Anforderung der Vorlage von (elektronisch) empfangenen und abgesandten Handels- und Geschäftspapieren sowie sonstiger Unterlagen inklusive eines Gesamtjournals im Rahmen einer Außenprüfung zulässig ist. Die Sache bleibt also noch spannend.
Hinweis: Die in diesem Mandantenbrief enthaltenen Beiträge sind nach bestem Wissen und Kenntnisstand verfasst worden. Sie dienen nur der allgemeinen Information und ersetzen keine qualifizierte Beratung in konkreten Fällen. Eine Haftung für den Inhalt dieses Informationsschreibens kann daher nicht übernommen werden.
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